Interview mit Trix Wetter
von David Clavadetscher, Februar 2003
Nach dem Besuch der Kunstgewerbeschule Bern (1963/64) und Biel (1964-68) war Trix Wetter bis 1974 im Atelier Hablützel & Jaquet in Bern tätig. In diese Zeit fiel auch ein sechsmonatiges Engagement bei der Werbeagentur SNIP in Paris, wo sie wertvolle Erfahrungen auf dem Gebiet des Verpackungsdesign sammelte. Ab 1975 war sie als freischaffende Grafikerin in Bern tätig. Unter anderem illustrierte sie für das Tages-Anzeiger Magazin. 1978 zog Trix Wetter nach Zürich um. Hier entworf sie das Erscheinungsbild der Delikatessenabteilung des Warenhauses Globus (Zürich). 1984 zeichnete sie für Konzept und Gestaltung der Kunstzeitschrift ‘Parkett’ verantwortlich. Zudem gestaltete sie Plakate und Kataloge für Museen im In- und Ausland. 1989-91 beschäftigte sie sich unter anderem mit der Neukonzeption und Gestaltung der Architektur-zeitschrift ‘Ottagono’ (Mailand). Zu weiteren wichtigen Projekten gehören Identity Designs für die Kunsthalle Zürich und das Fotomuseum Winterthur.
 
Trix Wetter, warum gestalten Sie? Was ist Ihre Antriebskraft, Ihr Ansporn?
Ich denke, wir Menschen sind vergleichsweise zur Natur im allgemeinen sehr unzulänglich. Daher spüren wir den Drang, dieses Manko zu kompensieren, indem wir die uns umgebenden Dinge gestalten. Damit glauben wir, eine gewisse Harmonie erlangen zu können.
Wissen Sie, wieso es Ihnen entspricht?
Nein, das weiss ich nicht. Ich denke, ich lebe damit meine Begabungen aus: meine Freude am Zeichnen, mein Flair für gestalterische und ästhetische Belange.
Welche Aspekte des Gestaltens gefallen Ihnen denn am besten?
Während dem Gespräch mit dem Auftraggeber kreisen schon erste Umsetzungsgedanken im Kopfe. Dann das kreative Arbeiten an sich, indem ich prozesshaft um gestalterische Lösungen ringe.
Woher bekommen Sie gestalterische Anerkennung, Bestätigung? Oder brauchen Sie die nicht?
Von den Kolleginnen und Kollegen, den Auftraggebern, den Freunden.
Welche Fähigkeiten erachten Sie für einen Gestaltenden am wichtigsten?
Einen untrüglichen Geschmack.
Was heisst das konkret?
Ästhetisches Bewusstheit, Wahrnehmung, aber auch kritische Betrachtung des Produktes. Intelligenz und Wachheit in der Umsetzung des Aufgabebereiches.
Haben Sie eine bestimmte Methode zu gestalten, das heisst, gibt es in Ihrem Procedere irgendein erkennbares Muster, eine Struktur?
Im Zuge einer ersten thematischen Auseinandersetzung, zum Beispiel im Fall einer Kataloggestaltung, führe ich ein Gespräch mit dem Kurator über Inhalt, Abbildungsvielfalt, Volumen des Buches, Finanzen, Termine. Die erste Präsentation meiner Idee ist eigentlich schon ein entscheidender Schritt zur Realisation, denn die meisten Kuratoren verfügen über eine äusserst sensibilisierte und schnelle Wahrnehmung in der visuellen Gestaltung und können ihre Vorstellungen sehr präzise beschreiben.
Sie haben als erste Phase die Annäherung an die Materie erwähnt. Was unternehmen Sie, um diese kennenzulernen?
Ich beschaffe mir vorhandene Dokumentationen, lese sie und betrachte entsprechendes Bildmaterial.
Durch die Auseinandersetzung mit der Materie macht es Klick und Sie haben eine Idee?
Nicht immer, aber oft. Die Intuition oder die Eingebung, ist der Funken zum Antrieb des Schaffens.
Gibt es bei Ihnen etwas wie ein ideenförderndes Umfeld? Sei es Umgebung, Zeit, Projektphase?
Dies muss nicht sein, es kann immer und überall sein. Sobald der Auftrag da ist, beginnt es in mir unbewusst zu arbeiten.
Meine Generation arbeitet natürlich anders, als man das heute tut. Mit einer konkreten Idee im Kopf ging man an die Ausführung. Da waren die technischen Möglichkeiten, unter hunderten von Farben, Schriften und Formen zu wählen und gleich umzusetzten, noch nicht vorhanden.
Ist das bei Ihnen immer noch so? Haben Sie eine relativ klare Vorstellung im Kopf, bevor Sie schliesslich loslegen?
Ja, oft. Das heisst aber nicht, dass ich nicht mehrere Entwürfe realisiere, kontrolliere und wieder verwerfe. Die Arbeit am Computer ermöglicht vielfältiges Umwandeln in kurzer Zeit. Durch Zufälle können ebenfalls Lösungen entstehen.
Gibt es überhaupt noch Freiräume zur Innovation neuer und eigenständiger Ideen?
Ja, die gibt es immer.
Aber die werden immer kleiner?
Nein, die werden immer grösser. Sie werden immer in Relation zur Innovation der individuellen Gestalter vorhanden sein! Hoffe ich zumindest für zukünfige GestalterInnen. Und das ‘Neuerfinden’ ist eine ungebrochene Antriebskraft im Menschen.
Was für eine Rolle spielt der Kunde bei Ihnen? Welches Mitspracherecht räumen Sie ihm ein? Wie sieht die Zusammenarbeit aus?
Diese wickelt sich in der Form eines Diskurses ab, wodurch mein Lösungsvorschlag bereichert wird. Das Mitspracherecht ist selbstverständlich, solange es um Entscheidungen betreffend der präsentierten Vorschläge geht.
Zeigen Sie Ihren Kunden viele Varianten?
Nein, so wenige wie möglich. Oft verunsichern zu-
viele Vorschläge nur den Kunden. Sind aber drei gute Lösungsvorschläge vorhanden, darf der Kunde die Wahl treffen. Allerdings habe ich dann meist eine selbst bevorzugte Variante.
Gestalten scheint mir ein zeitlich schwer berechenbarer Vorgang zu sein. Man kann immer wieder neue Ideen entwickeln oder eine Idee noch weiterentwickeln. Wie merken Sie, wann es Zeit ist, eine Arbeit abzuschliessen?
Dies ist einerseits durch den Termindruck bestimmt und andererseits gehört es zu meiner Erfahrung, dann aufzuhören, wenn es gut ist. Einem Künstler vergleichbar, der sein Bild beendet, sobald er es für vollendet hält. Junge, sich noch in der Ausbildung befindende Gestalter brauchen viele Schritte mehr, bis sich eine Lösung herauskristallisiert.
Besteht die Gefahr einer Routine?
Ja. Aber Routine kann auch sehr hilfreich sein. Es besteht natürlich auch die Gefahr, sich auf einen gewissen Stil zu fixieren.
Denken Sie, dass Sie selbst einen solchen Stil verkörpern?
Dies höre ich des öfteren. Ich selber sehe es nicht auf diese Weise, denn jede Aufgabe gestaltet sich wie ein Neubeginn. Ich will jedesmal etwas Neues erfinden. Ein neues System, eine neue Form.
Es ist natürlich auch zeitaufwändig, das Rad jedesmal neu erfinden zu wollen.
Es ist aber auch das, was das Leben spannend macht.
Wie können Sie im voraus die Länge eines gestalterischen Prozesses abschätzen und planen?
Das kann ich nie genau. Unvorhergesehenes geschieht immer und natürlich steht der Endtermin unabänderlich fest.
Machen Sie denn einen Zeitplan?
Ja und nein. Der Zeitplan wird durch das Produzieren festgesetzt. Drucker und Buchbinder bestimmen ihren Zeitaufwand für den Auftrag.
Sie sagen sich nicht, bis dann und dann muss diese und diese Phase abgeschlossen sein?
Nein, ich habe es nie so gelernt. Als ich Expertin an den Abschlussprüfungen war, schien diese Planungs-Aufgabestellung sehr wichtig zu sein. Ich hatte immer Mitleid mit den Prüflingen, wenn ich sah, dass sie ihren Zeitplan nicht einhalten konnten.
Nun heute ist es nicht mehr zu umgehen, einen gewissen Zeitplan zu haben. Allerdings treffen Änderungen oder Verzögerungen immer ein. Ich arbeite schon länger mit guten und zuverlässigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zusammen, die ihren Beitrag nach meinen Vorgaben ausführen und ich kann mich zum Glück auf sie verlassen.
Arbeiten Sie immer kostendeckend?
Was heisst das?
Alle Zeit, die Sie für einen Auftrag aufwenden, kostet im Prinzip…
Nein. Heute kann man nur noch kostendeckend arbeiten, wenn die Auftraggeber aus dem Wirtschaftsbereich kommen.
Finden Sie, dass Sie effizient arbeiten?
Ja. Termindruck gibt mir die Möglichkeit, ganz vieles leisten zu können. Hinzu kommt eine gewisse Erfahrung, Routine und Selbstvertrauen.
Sind Sie immer motiviert?
Ja. Bei jedem Auftrag freue ich mich auf die neue Auseinandersetzung.
Was sind Ihre grössten Probleme und Schwierigkeiten im gestalterischen Prozess?
Man hat eine so schöne Arbeit, kann jedoch so wenig Genuss dabei haben. Ein Problem ist, Zeit zu haben, seine Arbeit zu hinterfragen und eventuell zu ändern. Oft müssen heute leider aus finanziellen Einschränkungen seitens des Auftraggebers Kompromissentscheide getroffen werden.
Der Gestaltungsprozess ist immer ein Wechselspiel zwischen dem Schaffen einer Vielfalt und der Reduktion dieser Vielfalt. Dabei spielen Eingrenzung und Entscheidung eine wichtige Rolle. Haben Sie jemals Probleme, gestalterische Entscheide zu treffen?
Schlussentscheide eigentlich nicht. Aber dazwischen liegt ein Spiel von hin und her. Oft fallen die Entscheide ganz schnell, ein Tag danach aber verändert sich die Sichtweise. Auch hier sind Erfahrung, aber auch Gespräche mit Auftraggebern von Wichtigkeit.
Was für Entscheidungshilfen stehen Ihnen zur Verfügung?
Da ich in einer Ateliergemeinschaft arbeite, pflege ich den Austausch mit Kollegen und Kolleginnen. Ebenso wichtig ist mir aber auch die Meinung nicht berufsgebundener Freunde.
Was sind nennbare Qualitätskriterien, nach welchen Sie Gestaltung beurteilen?
Ein Plakat beurteilt man natürlich nach anderen Kriterien als eine Visitenkarte. Das schnelle Wahrnehmen einer Botschaft. Sobald es um Informationen geht, spielt die Lesbarkeit eine zentrale Rolle. Die Idee. Die Intelligenz der Umsetzung. Das Innovative. Der Geschmack. Der Humor. Die Freude am Betrachten. Die Nützlichkeit.
Finden Sie Ihre Arbeiten gut?
Wie hat Cornel (Windlin) diese Frage beantwortet? Ich schliesse mich dem an.
Vorbehaltslos?
Ja.
Gibt es eine Arbeit von Ihnen, die Sie besonders mögen?
Ja, es gibt einige Kataloge und Bücher, die ich gerne mag. Das Erscheinungsbild von ‘Parkett’ gefällt mir immer noch gut. Auch die Arbeit für das Fotomuseum Winterthur, ein Konzept, das wir zu dritt entwickelten finde ich nach wie vor gelungen. Und da sind noch ein paar Plakate.
Zweifeln Sie jemals an sich selber als Gestalterin oder an Ihrer Arbeit?
Zweifeln? Ja, natürlich. Ich zweifle zwar nicht eigentlich an meiner Begabung oder etwa daran, ob ich den richtigen Beruf ausübe. Aber es ist natürlich schon vorgekommen, dass mich die Intuition verlassen hat und ich versagt habe.
Gibt es zeitloses Design?
Ich denke ja.
Trotzdem kann man vielen grafischen Sachen ansehen, in welcher Zeit sie entstanden sind. Sie sind geprägt durch ihre Zeit.
Ja. Heute sind viele nützliche Dinge von gestern nicht mehr gefragt. Sei es aus ästhetischen oder inhaltlichen Gründen. Heute besteht der Drang nach immer Neuem, seien die Produkte nun nützlich oder nicht. Trotzdem gibt ganz viele Sachen, die weit vorausgedacht wurden. Die heute nicht weniger modern sind, als Sachen die jetzt entstehen.
Was denken Sie, woran das liegen mag? Was macht die Dinge zeitlos?
Es gab eine Zeit, da wollte man Inhalt, Funktion und gutes Design vereinen. Wenn solche Synergien zustande kommen, sind sie natürlich auch abhängig von der Material- und Ausführungsqualität. Derart können sogenannte zeitlose Produkte entstehen.
Ist es überhaupt erstrebenswert, zeitlose Gestaltung zu machen?
Bei gewissen Aufträgen schon. Für ein klassisches Museum kann ich kein Erscheinungsbild kreieren, das in drei Jahren alt wirkt oder nicht mehr funktioniert.
Denken Sie, dass Gestaltung losgelöst von Mode und Zeitgeist funktionieren kann?
Ja und nein. Unbewusst sind wir natürlich immer Mode und Zeitgeist unterworfen. Der Geschmack, das ästhetische Bewusstsein wandelt sich. Allerdings wird die Lesbarkeit eines Buches mit der Wahl einer neuentwickelten Schrift und deren Anwendung nicht unbedingt besser und lesbarer als die Anwendung einer klassischen, längst erfundenen Schrift.
Wie gehen Sie denn mit Trends um?
Ich finde, Trends gehören zu unserem heutigen Alltag. Das kann sowohl spannend und innovativ, als auch unbedeutend sein. Auch wenn ich von ihnen umgeben bin, muss ich sie nicht jeden Tag in mein Leben oder meine Arbeit integrieren.
Was denken Sie sind die Hauptfunktionen von Gestaltung? Grafik im Besonderen?
Zu vermitteln, erklären, informieren und signalisieren.
Sollte Gestaltung selbsterklärend sein?
Nein, nicht nur. Es ist schon gut, wenn man etwas nachdenken und umdenken muss. Aber je einfacher und klarer eine Lösung ist, desto besser ist sie auch.
Was versteht das Publikum von Gestaltung?
Mode und Trends sind nicht nur von gutem Geschmack. Viele sind abhängig davon. Sehr viele nehmen die vorherrschende schlechte Gestaltung nicht wahr. Ich denke, dass der Konsument und Betrachter, gestalterische Produkte jeweils anders wahrnimmt, als wir Gestalter, da wir durch unsere Schulung fähig sind, sehr schnell auf das Visualisierte zu reagieren und die Botschaft zu erkennen.
Deckt sich denn die Vorstellung, welche Gestalterinnen von guter Gestaltung haben, mit derjenigen des Publikums?
Ich weiss es nicht, doch denke ich, dass die Vorstellungen sehr auseinander gehen. Ansonsten hätten wir nicht soviel Geschmackloses um uns herum.
Haben Sie jemals Angst, mit Ihren gestalterischen Überzeugung und Fähigkeiten laut Zeitgeist keine gute Gestaltung mehr zu machen?
Dazu denke und reagiere ich zu wenig trendig oder bin nicht nur abhängig von trendigen Kunden. Wenn man jünger ist, ist es vielleicht auch wichtiger, im Zeitgeist zu liegen. Allerdings gibt es nicht nur Zeitgeistkunden. Die zufriedenstellende Erfüllung einer Arbeit hängt auch von der Art des Auftrages ab.
Gibt es irgendein Thema, welches Sie als Gestalterin stark beschäftigt und ich nicht angesprochen habe? Etwas das Sie ärgert oder freut?
Ich freue mich über den guten gestalterischen Nachwuchs. Es kann nur besser werden, wenn ich alle die jungen Leute betrachte, die sich intensiv und ernsthaft mit Gestaltung auseinandersetzen. Ich ärgere mich öfters, über die Geschmacklosigkeit der Kino-Werbespots und das Niveau der politischen Werbung.
Irgendjemand muss scheinbar denken, dass es bei den Leuten ankommt.
Vielleicht ist es wirklich das Niveau des Publikums. Ich weiss es nicht. Hoffen wir es nicht.
Gut. Dankeschön für das interessante Gespräch.
nach oben
 
nach hause (home)
© David Clavadetscher, 2003.